Der stoische Radfahrer – Was Epiktet mit Bikepacking zu tun hat
Ein Platten. Regen. Eine verpasste Fähre. Wer mit dem Fahrrad reist, kennt diese Momente: Es läuft nicht wie geplant. Die Strecke zieht sich, der Wind kommt von vorne, und das Zelt ist noch nass vom Vortag. Für viele klingt das nach Stress – für einen Stoiker ist es der Normalzustand des Lebens. Und genau deshalb passt Stoizismus so gut zum Bikepacking.
1. Unterwegs mit wenig – und innerlich frei
Epiktet, ein ehemaliger Sklave und einer der bedeutendsten stoischen Philosophen, schrieb sinngemäß:
„Reichtum besteht nicht im Besitz, sondern in wenigen Bedürfnissen.“
Bikepacking bringt uns genau dorthin: Man reduziert sich auf das, was in Taschen passt. Kleidung, Werkzeug, ein Kocher, ein leichtes Zelt. Die Reduktion ist kein Verzicht, sondern Befreiung. Man braucht weniger, also trägt man weniger – außen wie innen.
2. Kontrolle über das Wesentliche
Ein zentraler Gedanke der Stoiker ist die Unterscheidung zwischen dem, was in unserer Kontrolle liegt, und dem, was es nicht tut.
Auf dem Rad:
- In deiner Kontrolle: Tempo, Route, Haltung, ob du Pausen machst, wie du auf Widrigkeiten reagierst.
- Nicht in deiner Kontrolle: Wetter, Straßenzustand, Begegnungen, Defekte.
Wer stoisch reist, akzeptiert das Unvermeidliche – nicht aus Passivität, sondern aus klarem Verstand.
3. Jeder Tag ist Training
„Hoffe nicht, dass es leicht wird. Hoffe, dass du stark wirst.“ – Epiktet
Bikepacking wird manchmal romantisiert – aber wer auf langen Touren unterwegs ist, merkt schnell: Es ist eine Schule des Körpers und Geistes. Man übt sich täglich in:
- Disziplin
- Achtsamkeit
- Genügsamkeit
4. Rückzug und Reflexion
Stoiker suchten nicht die Einsamkeit, aber sie wussten ihren Wert zu schätzen. Ein ruhiger Abend am Fluss, fernab von WLAN und Terminen – das ist nicht nur romantisch, sondern philosophisch fruchtbar.
Der stoische Radfahrer hat Zeit. Für Gedanken. Für Stille. Für die Frage: Was brauche ich wirklich?
5. Fazit: Stoizismus ist kein Ideal – sondern Praxis
Man wird nicht stoisch, weil man das Wort hübsch findet. Man wird es, indem man lebt – durch Erfahrung, durch Wiederholung.
Bikepacking ist dafür ein idealer Rahmen. Es stellt die Fragen, für die der Stoizismus Antworten liefert:
- Wie gehe ich mit Unvorhersehbarem um?
- Was ist wirklich notwendig?
- Wie bleibe ich bei mir – auch wenn draußen alles durcheinandergerät?
Und genau wie das Radreisen ist auch der Stoizismus kein Ziel – sondern eine Haltung, ein Weg.
Langsam. Direkt. Ohne viel Gepäck.
📚 Literatur-Tipp für unterwegs
- „Handbüchlein der Moral“ – Epiktet (Reclam-Ausgabe)
- „Meditationen“ – Marc Aurel
- The Obstacle is the Way – Ryan Holiday